Weshalb braucht es eigentlich ein Remake des Films “West Side Story”, dachte ich mir, als ich vom neuen Projekt von Steven Spielberg hörte.

Nun, wie bei den Stücken von Shakespeare wird hier ein zeitloses menschliches Thema dargestellt. In diesem Fall die beiden widerstrebenden Kräfte bei der Wahl einer Partnerin / eines Partners. Norbert Bischof stellt in seinem Buch “Das Rätsel Ödipus” aus dem Jahr 1985 die These auf, dass sich die Heiratsregeln oder die Schranken der Partnerwahl jeder Kultur aufgrund von zwei sich eigentlich widersprechenden Faktoren erklären lassen. Erstens der “Ethnozentrismus-Faktor” (im Volksmund “gleich und gleich gesellt sich gern”). Vereinfacht gesagt, schätzen nach Bischof Menschen das Heimatlich-Vertraute, Immer-so-Gewesene in der Regel höher ein als das Fremde, Andersartige, dem sie eher misstrauen. Tony, der Held im Film West Side Story drückt das in seinen Worten so aus: “Nun, es sind Typen wie Riff und ich… wenn die Dinge nicht vertraut sind, haben wir einfach diesen Instinkt diese zu bekämpfen …”. In fast allen Kulturen scheut man deshalb Partnerschaften, bei denen die Partner allzu verschieden sind.

Wenn das der einzige Faktor wäre und wenn Tony einzig dieser Kraft folgen würde, gäbe es aber den grossen Konflikt im Film gar nicht. Der Amerikaner Tony würde sich nicht in die Puerto-Ricanerin Maria verlieben, sondern würde innerhalb seines Clans eine Freundin suchen und der Film wäre wohl nie gedreht worden…

Den zweiten Faktor, der dem ersten diametral widerspricht nennt Bischof nun den “Exogamie-” oder “Fremdheits-Faktor” (im Volksmund “Gegensätze ziehen sich an”). Diesem Faktor zufolge kommt ein/e Partner:in gerade umso weniger in Frage, je näher sie/er der eigenen Familie bzw. Sippe steht. Es ist in diesem Fall gerade das Fremde, das uns lockt.

Das Besondere an der These von Bischof ist, dass nach ihm beide Faktoren gleichzeitig wirken, gleichzeitig an einem zerren, aber in unterschiedliche Richtungen.

Die Gesellschaft löst den Konflikt, indem sie Partnerschaften am höchsten bewertet, wo sich die beiden Menschen nicht zu nahe, zu vertraut, aber auch nicht zu fern, zu fremd sind.

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Ich lese in der Autobiographie “1000 Jahre Freud und Leid” von Ai Weiwei. Ein berührendes und faszinierendes Buch. Ai wuchs während der Kulturrevolution

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“Walk the Line” ist eine Filmbiographie von James Mangold aus dem Jahr 2005 über das Leben des Country-Sängers John “Johnny” Cash. Der Film erzählt eine Geschichte von Scham und von